Erstens Leute kommt die Pflicht! Eine Nachhilfestunde in Deutsch.

Das Unheimliche in grellen Farben. Noldes „Trophäen der Wilden“, 1914. Foto: Nolde Stiftung, Seebüll
Ein leeres Blatt Papier. Nur die Überschrift steht: Die Freuden der Pflicht. Keine Ahnung ob das heute noch so geschieht oder es eine neue Variante davon gibt. In meiner Gymnasialgeneration wurden Schüler pflichtgemäß mit diesem oder einem verwandten Thema gequält. Pflicht stand über 20 Jahre nach der Nazi-Zeit noch immer hoch im Kurs. Siegfried Lenz Roman „Deutschstunde“ war Ende der 60er ein Volltreffer in den Zeitgeist. Die Jugend rebellierte gegen den Muff des „1.000jährigen Reiches“, der trotz demokratischer Verfassung der spätpubertierenden Bundesrepublik Deutschland in manchem Elternhaus, in mancher Schule, in Justiz und Verwaltung bis hinein in die Regierung und andernorts die Luft nicht richtig klar werden lassen wollte.
Ich war im Kino, hab mir die aktuelle Verfilmung angesehen. Selbstverständlich habe ich seinerzeit zu den ersten Lesern des Romans gehört, eine freudige Pflicht sozusagen für einen politisierten Heranwachsenden. Ich habe das Buch tief bewegt in kurzer Zeit verschlungen. Die meisten werden es kennen, trotzdem hier der Inhalt kurz zusammengefasst:„Die Freuden der Pflicht“ lautet der Aufsatz, den der junge Siggi Jepsen in einer Besserungsanstalt schreiben soll. Obwohl er zunächst keinen Anfang findet, fließt es nur so aus ihm heraus, als er sich erinnert, wie sein Vater Jens Ole Jepsen, der nördlichste Polizeiposten von Schleswig-Holstein umgeben von Dünen, Watt und Meer, dem Maler Max Ludwig Nansen die Nachricht vom in Berlin beschlossenen Malverbot überbrachte. Der Polizist Jepsen, der mit dem Maler seit Kindertagen befreundet ist, soll das Malverbot überwachen. Sein blinder Gehorsam, der zu einem Widerspruch von Pflichterfüllung und individueller Verantwortung führt, der Mitläufer als Erfüllungsgehilfe stehen im Mittelpunkt der Geschichte, in deren Verlauf Siggi mit seinem Vater bricht. Siggi Jebsen ist zerrissen zwischen seinem Vater und dem befreundeten Maler, der für ihn wie ein zweiter Vater ist. Beide versuchen auf gegensätzliche Art den Jungen für sich zu instrumentalisieren. So gerät der junge Siggi zwischen alle Fronten, zwischen denen er letztlich zerbricht.