Kästchendenker und kreative Chaoten

Es gibt sie. Die einen wie die anderen. Sie begegnen sich als Theorien, sie sitzen höchstpersönlich friedlich nebeneinander und streitend sich gegenüber im gleichen Projekt- oder Management-Team. Was würde ein unbekümmerter Beobachter über dieses polare Duo denken?
Für die einen besteht die Welt aus Planung, Meilensteinen, Struktur- und Balkendiagrammen. Für sie ist die Welt im Prinzip berechenbar, es ist alles eine Frage genügend intensiver Beschäftigung mit der Sache, der Vernunft und der Methode. Emotionen sind hinderlich, sie vernebeln den klaren Blick auf das Thema, seine Strukturen und Facetten. Nur Fakten zählen, Abstraktionen, technische Verfahren und Optimierungsprozesse werden das Bestmögliche garantieren. Wir müssen nur denken, planen, strukturieren, messen, kontrollieren.

Ganz ehrlich: ich bin froh, dass es Menschen gibt, die so denken und erfolgreich arbeiten. Ich denke daran immer, wenn ich in einem Flugzeug oder Hochgeschwindigkeitszug dahinrase, einen Aufzug in ein schwindelerregendes Stockwerk eines Wolkenkratzers betrete, in einem Tunnel ein Bergmassiv oder einen Fluss quere, die riesigen Mengen an Fels oder Wasser über mir fürchtend.

Kästchendenken ist nützlich. Es ist angebracht, die Kästchendenker nicht mit diesem Schimpfwort abzukanzeln, sondern es als wertschätzende Beschreibung einer höchsteffektiven Denk- und Arbeitsweise zu nutzen.

Trotzdem, nein, so bin ich aber nicht wirklich.

Andere sehen Management und Projekte mehr als Knäuel menschlicher Beziehungen, sie planen Unschärfen und Unsicherheiten mit Metaphern, bunten Bildern, Werten und anderen unsystematisch aussehenden Methoden systematisch ein. Sie setzen auf kreatives Erleben, Spaß darf dabei nicht zu kurz kommen. Motivation und Begeisterung der Beteiligten wird erst die Kräfte freisetzen, die den Erfolg bringen. Nicht Fakten, sondern Menschen bewegen die Welt. Der Sinn von agilen Planungs- und Steuerungsmethoden liegt darin, durch Bildung neuer Bewertungsmuster flexibel mit Unsicherheiten umgehen zu lernen.

Ja, so erkenne ich mich wieder.

Beide Herangehensweisen erreichen ihre Kraft nur als siamesische Zwillinge. Management und Projekte brauchen Struktur und Flexibilität. Solange über die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit unterschiedlicher Herangehensweisen ideologische Glaubenskriege geführt werden, bleiben Resultate bestenfalls mittelmäßig. Entwicklungsdrang ist besser als Streit um das Rechthaben. So sind sicher mehr Menschen zu mehr zu begeistern.

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